Am Mittwoch erschien in der rechten griechischen Tageszeitung Kathimerini ein Artikel mit dem Titel: "
Euro Exit Scenario Gives Greece 46 Hours to Manage Process" (Szenario für Euroaustritt gibt Griechenland 46 Stunden), in dem die verschiedenen Szenarien eines Austritts aus dem Euro von 21 Ökonomen, Analysten und Akademikern untersucht wurden. Die Zeitung schreibt, die Wiedereinführung einer nationalen Währung müsste wegen der Handelszeiten auf den weltweiten Aktienmärkten sorgfältigst geplant und innerhalb von 46 Stunden an einem Wochenende durchgeführt werden.Es würden sofort Maßnahmen ergriffen, um den Widerstand der Bevölkerung zu unterdrücken. In dem Artikel heißt es: "In diesen zwei Tagen wird die Regierung Unruhen unterdrücken müssen, und einen möglichen Bankrott verhindern, eine neue Währung planen, die Banken rekapitalisieren, Kapitalflucht verhindern und einen Weg finden müssen, Rechnungen zu bezahlen, wenn die Zahlungen der Rettungspakete eingestellt werden.
Unter Berufung auf zwei führende Forscher heißt es: "Das Land muss sein Militär vielleicht schon am Samstagmorgen aktivieren, die Grenzen schließen und die übergangsweise Umwidmung von Euro in Drachmen vorbereiten, sobald der Austritt angekündigt wurde."
Der griechische Finanzminister Filippos Sachinidis sagte zum Thema Austritt: "Alle unsere Errungenschaften werden zunichte gemacht, und zwar mit solcher Gewalt, dass ich nicht weiß, ob wir dann weiter als moderne Demokratie bestehen werden."
Hinter diesen Kommentaren verbirgt sich zweifellos eine gewisse politische Erpressung. Die herrschende Elite erklärt, dass die Arbeiter alle Kürzungen akzeptieren müssen, die das Finanzkapital und der griechische Staat fordern, oder sie erleiden eine Katastrophe. Sollten die Arbeiter sich weigern, werden die Banken Griechenland die Kredite verweigern, sodass es gezwungen sein wird, sein eigenes Geld zu drucken. Die Märkte werden das Land über Nacht finanziell ruinieren, indem sie gegen seine Währung spekulieren. Dann wird die Armee eingesetzt werden, um einen Sturm der Sparer auf die Banken zu verhindern und den Widerstand der Bevölkerung zu zerschlagen.
Das politische Establishment hofft, durch die Veröffentlichung solcher Argumente Stimmen für die traditionellen Regierungsparteien zu gewinnen, d.h. für die rechte Nea Dimokratia und die sozialdemokratische PASOK, die die Sparmaßnahmen der EU und die "Rettungspakete" unterstützen. Bei den Wahlen am 6. Mai bekamen diese beiden Parteien zusammen nur 32 Prozent der Stimmen.
Grundlegender gedacht, sind die "Notfallpläne", die diskutiert und offen oder im Geheimen geplant werden, Ausdruck der akuten Verschärfung der Klassengegensätze in Griechenland und weltweit.
Die Maßnahmen, die in Griechenland auf Befehl der "Troika" der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) umgesetzt wurden, sind eine Barbarei, wie es sie seit der Besatzung durch Nazideutschland nicht mehr gegeben hat. Ein Sprecher des griechischen statistischen Amtes sagte letzte Woche: "Wir schätzen, dass die Wirtschaft bis Ende 2012 im Vergleich zum Beginn der Rezession vor fünf Jahren um 27 Prozent gesunken sein wird... d.h. um fast ein Drittel. Das ist für eine entwickelte westliche Gesellschaft völlig beispiellos."
Egal ob das Finanzkapital die gescheiterte Rettungsaktion fortsetzt, oder gegen eine griechische Nationalwährung spekuliert, die Umsetzung solcher brutalen und unpopulären sozialen Angriffe mit parlamentarischen Methoden wird zunehmend schwieriger werden. Daher wird mit der Wiedereinführung einer Art Militär- oder Polizeiherrschaft gedroht. Das griechische Volk hat mit solchen Methoden bereits durch die Militärjunta von 1967-74 bittere Erfahrungen gesammelt.
Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 hat sich die herrschende Klasse Griechenlands mehrfach auf die Armee gestützt, um den Widerstand der Arbeiterklasse zu unterdrücken. Im Jahr 2010 wurde sie mobilisiert, um den Streik der LKW-Fahrer zu beenden, 2011 sollte sie den Streik der Müllmänner beenden.
Am 4. Februar 2011 meldete die Nachrichtenagentur Athens News Agency, die 71. Luftlandebrigade der Armee habe in einem Manöver die Konfrontation mit Demonstranten gegen den Sparkurs geübt. Im September protestierten Tausende von pensionierten Armeeoffizieren, Hunderte stürmten das Verteidigungsministerium und forderten den Sturz der PASOK-Regierung. Der Verein zum Schutz und der Kooperation zwischen den Streitkräften warnte den damaligen Premierminister Giorgos Papandreou, die Armee verfolge seine Politik "mit wachsender Sorge."
Der damalige Verteidigungsminister Panos Beglitis erklärte: "Solche Drohungen und solch undemokratisches Verhalten gegenüber der demokratisch gewählten Regierung des Landes sind eine Beleidigung und werden unverzüglich unterdrückt." Am 1. November, kurz vor Papandreous Rücktritt, entließ Beglitis den gesamten Generalstab der Streitkräfte, was zu Gerüchten führte, ein Putsch sei knapp abgewendet worden.
Als vor zehn Tagen nach den Wahlen am 6. Mai keine Partei eine Regierung bilden konnte, übergab Premierminister Lucas Papademos, der selbst ohne Wahl ins Amt gekommen war, die Macht an eine Übergangsregierung unter dem hohen Richter Panayiotis Pikrammenos. Diese Übergangsregierung ist interessant.
Frangos Frangoulis, ein General a.D. und ehemaliger Stabschef der Streitkräfte, wurde zum Verteidigungsminister ernannt. Der ehemalige Kommandant der Marineinfanterie wurde im November bei der überraschenden Umstrukturierung des Generalstabs seines Postens enthoben.
Als Minister für den Schutz der Bevölkerung wurde Eleftherios Economou ernannt, ein ehemaliger Polizeichef mit einer langen Karriere bei den staatlichen Geheimdiensten. Er wird nicht nur oberster Chef der griechischen Polizei, sondern auch des Amts für Zivilschutz, des nationalen Geheimdienstes, der Feuerwehr, der Küstenwache und der Landpolizei.
Eine der letzten Amtshandlungen der Regierung Papandreou im Oktober 2011 war es, Economou zum Generalsekretär für öffentliche Ordnung zu ernennen. Von Papademos wurde er zum stellvertretenden Minister für den Schutz der Bevölkerung ernannt, bevor er auf seinen derzeitigen Posten befördert wurde.
Es gibt auch zahlreiche Berichte über eine enge Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der faschistischen Partei Goldene Morgendämmerung, die bei den Wahlen am 6. Mai sieben Prozent holte. Am 3. Mai schrieb der Guardian, Mitglieder der Goldenen Morgendämmerung dürften "ungestraft ihre angeblichen Feinde terrorisieren, beleidigen und angreifen, während die Polizei wegschaut oder sogar mit ihnen zusammenarbeitet..."
Eine Analyse der Stimmen für die Goldene Morgendämmerung von To Vima ergab, dass mehr als die Hälfte der Polizeibeamten für die Faschisten gestimmt hatten.
Besonders ein Vorfall am Donnerstagmorgen, bei dem etwa dreißig Polizeibeamte versuchten, in das nationale Büro der Sozialistischen Arbeiterpartei (SEK) in Athen einzudringen, muss als Warnung verstanden werden. Angeblich schloss sich ihnen "eine Gruppe von Faschisten an... sie riefen rassistische Schimpfwörter und versuchten, die Tür einzutreten." Der Überfall wurde abgebrochen, als ein höherer Polizeibeamter eintraf.
Die größte Gefahr für die griechischen Arbeiter ist ihre mangelnde politische Vorbereitung auf die ernste Situation, in der sie sich befinden. SYRIZA (Die Koalition der Radikalen Linken) war bisher der Hauptprofiteur des Widerstandes der Arbeiter gegen den Sparkurs. Aber sie ist eine bürgerliche Partei und trotz ihrer linken Rhetorik und der Kritik an den Bedingungen des EU-Rettungspaketes keine Partei der Arbeiterklasse. Sie lehnt einen revolutionären Kampf gegen den Kapitalismus und den griechischen Staat entschieden ab, sät Illusionen und entwaffnet die Arbeiterklasse politisch, indem sie behauptet, eine Stimme für ihre Kandidaten würde Europas Politiker und Banker davon überzeugen, nachzugeben.
Inzwischen haben die herrschenden Klassen in Europa und Griechenland Zeit, sich auf die wachsende Wut und den Widerstand der Arbeiterklasse und auf eine Abstimmung gegen die Sparmaßnahmen vorzubereiten, nämlich auf die wirtschaftliche Zerstörung Griechenlands und die Unterdrückung der Massen.
http://www.wsws.org/de/2012/mai2012/show-m29.shtmlPosted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
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