Seit 2004 sind die Beschäftigtenzahlen in Deutschland kräftig gewachsen, die Arbeitslosigkeit hat deutlich abgenommen. Doch die positive Entwicklung hat eine Schattenseite, sagt WSI-Forscher Dr. Eric Seils: "Analysiert man die soziale Lage der Erwerbsbevölkerung, dann zeigt sich, dass die deutschen Beschäftigungserfolge mit einem hohen sozialen Preis verbunden waren."
Der Sozialwissenschaftler hat die EU-weite Erhebung von Armutsdaten ausgewertet, die aktuell bis zum Einkommensjahr 2009 vorliegen. 2009 waren laut Eurostat in Deutschland 7,1 Prozent der Erwerbstätigen von Arbeitsarmut betroffen. Das heißt, ihnen standen weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Nettoeinkommens zur Verfügung das ist die gängige wissenschaftliche Armutsgrenze. In Deutschland liegt diese Schwelle für einen Alleinstehenden bei 940 Euro im Monat.
Im Vergleich zu 2004 ist der Anteil der "Working Poor" um 2,2 Prozentpunkte gestiegen. Damit nahm die Arbeitsarmut in Deutschland, ebenso wie in Spanien, deutlich stärker zu als in allen anderen EU-Staaten. Im Durchschnitt der Gemeinschaft wuchs die Armutsquote unter Erwerbstätigen nach Eurostat nur um 0,2 Prozentpunkte. Der überdurchschnittliche Anstieg führte dazu, dass Deutschland mittlerweile bei der Arbeitsarmut im europäischen Mittelfeld liegt. Zuvor war das Problem in der Bundesrepublik vergleichsweise selten.
Noch weitaus drastischer stieg seit 2004 die Armutsquote unter Arbeitslosen um 29 Prozentpunkte. Im EU-Durchschnitt waren es nur 5 Prozentpunkte. 2009 hatten 70 Prozent der Arbeitslosen in Deutschland nur ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze 25 Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt der 27 EU-Staaten.
Parallel zur Ausbreitung der Arbeitsarmut in Deutschland nahm auch die atypische Beschäftigung kräftig zu, so Seils.
Quelle:
Dazu: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (Arbeitslosengeld II-Empfänger/innen)
Im Dezember 2011 lebten in der Bundesrepublik Deutschland 4,427 Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte
in sog. SGB II-Bedarfsgemeinschaften.
Dies waren 274.000 weniger als ein Jahr zuvor und 884.000 weniger als Ende 2006. Die wesentlichen Gründe für diesen Rückgang, ohne Wertung: mehr Erwerbstätige, weniger Frauen und Männer im Alter von 15 bis unter 65 Jahren, gesetzliche Änderungen (u.a. Kinderzuschlag, Anrechnung von Elterngeld). Gleichzeitig dürfte die Zahl der erwerbsfähigen Frauen und Männer deutlich gestiegen sein, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, aber trotz Erwerbstätigkeit in finanziellen Verhältnissen leben, die, wenn überhaupt, nur geringfügig über dem Hartz IV-Niveau liegen.
Dies jedenfalls legen die Ergebnisse der vor einigen Tagen veröffentlichten
http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.400058.de/12-21.pdf
Der Anteil der Frauen und Männer im Alter von 15 bis unter 65 Jahren, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren,
betrug im Dezember 2011 in der Bundesrepublik Deutschland 8,2 Prozent.
http://biaj.de/images/stories/2012-05-24_alg2-122011rev.pdf
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