Gedanken zur Zeit 1770 22-05-10:
Kommt nun ein neues Zeitalter der Wut und Revolution?
http://www.jjahnke.net/gedanken58.html#1770
Simon Schaman hat ein Buch über die Französische Revolution geschrieben: "Der zaudernde Citoyen. Rückschritt und Fortschritt in der Französischen Revolution". Heute meldet er sich in einem Gastkommentar in der Financial Times unter der Überschrift "Die Welt steht auf der Kippe zu einem neuen Zeitalter der Wut".
Man könne nicht den Schwefel in der Luft riechen und nicht daran denken, daß wir an der Schwelle zu einem Zeitalter der Wut sein könnten. In Europa und den USA gebe es eine konkrete Möglichkeit eines langen heißen Sommers sozialer Wut. Historiker würden uns sagen, daß es immer einen Zeitverzug gibt zwischen dem Beginn eines Wirtschaftsdesasters und der Anhäufung sozialer Wut.
Im ersten Akt würde der Schock der Krise ängstliche Desorientierung auslösen, die Suche nach politischen Rettern, instinktive Reaktionen von Selbstschutz, aber nicht die organisierte Mobilisierung der Wut.
So hätte 1789 die neue Regierung einen vorübergehenden Augenblick gehabt, um die soziale Katastrophe zu begrenzen. Wenn die Regierung gesehen werde als alle Muskeln einsetzend, um die Dinge zu berichtigen, könne sie für eine Weile einstweilige Legitimität erzeugen.
Akt Zwei sei schwieriger. Die Menschen würden nun die brutale Unterbrechung ihrer Erwartungen auf mehr Einkommen, der Hoffnung, daß die nächste Generation besser leben könne, feststellen. Ein Groll bilde sich heraus, daß jemand anders dieses Unglück zu verantworten habe. Der allgemeine Schimpfname der Französischen Revolution an die Adresse der reichen Finanzspekulanten als die Schuldigen sei der der "reichen Egoisten" gewesen.
Unsere eigenen Plutokraten von heute mögen nicht für den Weg zur Guillotine bestimmt sein, doch der Umstand, daß die Auswirkungen der finanziellen Katastrophe auf die Realwirtschaft durch obskure Transaktionen für kurzfristigen Profit heraufbeschworen wurden, verschlimmere den Eindruck eines sozialen Verrats. Schadensbegrenzung an diesem Punkt bedeutete daher, die Schuldigen finanziell zur Verantwortung zu ziehen, ihnen ein Schuldeingeständnis abzuringen.
Deswegen sei das Vorhaben der strengeren Finanzregulierung so wichtig. Anderenfalls würde der Verdacht aufkommen, daß die Schuldigen und die Regierungen aus dem gleichen Stoff geschnitten seien, der dann vom Volkszorn zerrissen werden könnte. Mindestens müßte das finanzielle Leid gleichmäßig verteilt werden.
So sei es auch in der Französischen Revolution gelaufen. In 2010 müßten die Regierungen sich davor hüten, unangemessen auf die Erhöhung indirekter Steuern, wie die Mehrwertsteuer, zurückzugreifen, um die Anleihemärkte zu beeindrucken, mit denen normale Menschen wenig Verbindung hätten. Jeder Nothaushalt müßte die verletzten Gefühle der Opferung der Massen berücksichtigen. Sonst sei es eine Garantie, daß eine schlechte Situation sehr häßlich werde, sehr schnell.
Tatsächlich sagte Jacques Roux 1793 in seinem "Manifeste des Enragés" ("Manifest der Wütenden"):
"Zu was kann den geizigsten Spekulanten die unbegrenzte Freiheit ihres widerlichen Verkehrs nützen? Entweder Unterdrückter oder Unterdrücker zu sein. Dieses letzte Schicksal ist vor allem ekelhaft. Reiche, Egoisten: Wißt die schrecklichen Ergebnisse dieses Kampfes gegen die Gerechtigkeit und die Menschlichkeit vorauszusehen. Lernt den Charme der Gleichheit zu schmecken. Oder laßt wenigstens dem Volk Brot, Arbeit und Anstand."
Jacques Roux war Mitglied der Jakobiner und gründete 1792 die Enragés, eine linksradikale Splittergruppe der Jakobiner, deren Ziele über die politische Gleichheit hinausgingen: Verfolgung von Spekulanten und Schiebern, Schließung der Börse und wirtschaftliche Gleichstellung der Bevölkerung. Im Mai 1793 nahm Roux am Aufstand der Sansculotten teil.
Und Robbespiere beklagte, daß der reiche Egoist willkürlich die Dinge besteuere, die am wichtigsten für das Leben seien, und erklärte:
"Wir schwören, dieses allgemeine Prizip zu beschließen, daß der Handel nicht darin besteht, die Bürger zu ruinieren. Die Reichen allein haben seit vier Jahren von den Vorteilen der Revolution profitiert."
Die Regierungen von heute werden aus der Französischen Revolution gelernt haben und die Wut, von der Schama in der Financial Times schreibt, nicht dahin kommen lassen.
Man muß sich nur ansehen, wie die Banken wieder in den Gewinnen schwimmen, um die aufsteigende Wut zu begreifen (Abb. 16122, 03847).
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