Die verwirrende Debatte zum Gipfel in Kanada ist ein außerordentlich gutes Beispiel
für die Möglichkeit der umfassenden Manipulation
Wenn Sie selbst verstehen wollen, wie zentral es ist zu begreifen, dass man ohne Einsicht in die Vorgänge und Methoden der Meinungsmache die Welt nicht mehr versteht, oder wenn Sie Ihren Freunden und Bekannten zeigen wollen, wie perfekt sie in die Irre geführt werden, nehmen
Sie dieses Beispiel. Nehmen wir einige der Hauptaussagen und der Hauptbotschaften im und zum Streit zwischen Obama und Merkel, zwischen Ökonomen dort (Krugmann) und Ökonomen hier (Franz, Snower, etc): Albrecht Müller
heute journal 24.6. 21:18 Uhr ab Minute 2:44) "Sparen oder Schulden machen? Das ist die Kernfrage, mit der sich die Staats- und Regierungschefs beim G-8-Gipfel in Kanada befassen." (Spiegel Online 25.6.)
Einordnung und Kommentierung:
- In den Aussagen von A. ("Aufschwung auf Pump"; '"Sparen oder Schulden machen") wird gebündelt der geläufige Eindruck erweckt, Konjunkturprogramme seien die Ursache von Schulden und man könne sparen, wenn man nur kräftig genug die Absicht habe zu sparen. Der übliche Fehler: Einzelwirtschaftliche Erfahrungen auf gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge übertragen. Siehe auch
- Mit der penetranten Wiederholung.
- Mit der Unterstützung von unwissenden Medien, Opfern der Dauermanipulation oder einfach gefügigen und über PR eingebundenen Medien.
- Mit der Stützung durch eine Wissenschaft, die unter Intelligenzschwund leidet und sich erstaunlich in eine abgesprochene Sprachregelung einfügt. Das wird bei der Behauptung von Professor Franz sehr schön sichtbar, die expansive Geldpolitik der amerikanischen Zentralbank sei Schuld an der Finanzkrise. Das ist ein Konstrukt der neoliberal geprägten Wissenschaft und Finanzwirtschaft, die die Schuldigen bei anderen sucht. Es gibt dafür keinerlei Beleg.
- Dass die Behauptungen von Angela Merkel und ihrer Partner in Wissenschaft, Wirtschaft und Medien so weit verbreitet und verankert werden, hat sehr viel mit dem Konflkt mit den USA zu tun, der jetzt ausgebrochen ist beziehungsweise inszeniert worden ist. Ein Konflikt ist wie die Wiederholung ein bewährtes Transportmittel für Manipulationen. Dafür hat Angela Merkel offensichtlich das richtige Gespür. Und sie hat die Unterstützung der meisten Massenmedien. Dass die Öffentlich-Rechtlichen wie das ZDF dabei wieder mitmachen, belegt einmal mehr die Niveaulosigkeit der dort meinungsführenden Personen. (Zu den Methoden der Meinungsmache siehe Kapitel 10 im Buch "Meinungsmache" und eine
- dass die deutsche Regierung die Defizite reduziere. Das ist aber gar nicht der Fall. Die Nettokreditaufnahme des Bundes ist außerordentlich hoch 60-65 Milliarden im Jahr 2010, voraussichtlich 55 Milliarden in 2011.
- Sie suggeriert weiter, dass das Konzept des nachhaltigen Wachstums funktioniere. Das ist ein wiederkehrendes Versprechen der herrschenden Mehrheitsökonomie. Es hat nie funktioniert. Deutschland hat eine vergleichsweise hohe Arbeitslosenquote und leidet seit gut 20 Jahren an einer Stagnation des Wachstums und der Masseneinkommen. Siehe zum Beispiel
"Nach den vorläufigen Daten wuchs das BIP im ersten Quartal 2010 um 1,6% gegenüber dem ersten Quartal 2009. Verglichen mit dem ersten Quartal 2008 ist das ein Stand von minus 5,3%."
Das ist alles andere als eine gute Konjunktur. Aber wie 2007 und 2008 wird es in der öffentlichen Darstellung durch permanente Wiederholung und Berufung auf einige Ökonomen dazu umgedeutet. Im konkreten Fall ist diese Lüge die Basis der Angriffe auf Obama.
Wir haben es hier mit einem clever angelegten Spiel der Ablenkung zu tun einem Musterbeispiel an totaler Manipulation.
Machen Sie andere bitte darauf aufmerksam. Zu viele Menschen fallen auf die geschilderten Tricks herein.
Nachtrag 26.6.2010 09:15:
Spiegel Online macht heute früh so auf (Auszug):
"26. Juni 2010, 07:59 Uhr
G-8-Gipfel in Kanada
Obamas Schuldenstrategie verärgert Europa
Aus Toronto berichten Gregor Peter Schmitz und Philipp Wittrock
Zum Auftakt des Doppelgipfels von Kanada bemühen sich die Staats- und Regierungschefs der mächtigsten Industrienationen um Geschlossenheit. Doch die Idylle trügt Amerika und Europa streiten über den richtigen Weg aus der Krise. Es geht um die Frage: sparen oder Geld ausgeben?
Das Deerhurst Resort in Huntsville schmiegt sich sanft in die traumhafte Landschaft der kanadischen Ferienregion Muskoka. Nur ein paar Schritte sind es bis zum See, dichte Wälder breiten sich über sanften Hügeln aus. Erholung pur wenn nur die Mücken nicht wären, die auch vor den Mächtigen dieser Welt nicht halt machen.
Doch auch sonst trügt die Postkartenidylle, vor der sich die Staats- und Regierungschefs der acht größten Industrienationen am Freitagmittag gut gelaunt zum Familienfoto aufstellen. Schon der G-8-Gipfel, der von Samstag an in der Metropole Toronto zur Zwanziger-Runde erweitert wird, ist von Misstönen geprägt.
Es knirscht vor allem zwischen den USA und Deutschland. Zwar lobte Kanzlerin Angela Merkel die gute Atmosphäre bei den Gesprächen, auch mit Barack Obama. Doch der Streit über die richtige Wachstumsstrategie schwelt auch ohne offene Konfrontation weiter. Die Deutsche und der Amerikaner stehen sich unversöhnlich gegenüber.
Zwei Denkschulen prallen aufeinander: Sparen oder Geld ausgeben? Kurzfristiges Wachstum oder lieber langfristige Haushaltsstabilisierung?
Furcht vor der Schuldensucht
Die Amerikaner wollen weiter die globale Konjunktur ankurbeln, auch um den Preis neuer Schulden. Sie möchten außerdem endlich mehr exportieren. Aber dafür müssten Länder mit Handelsüberschüssen wie Deutschland mehr konsumieren. Die Deutschen dagegen setzen angesichts der Erfahrungen mit der Griechenland-Rettung erst einmal aufs Sparen."
(
)
Kommentar AM:
Die beiden fett und kursiv gesetzten Aussagen
sind Ausdruck der massiven Propaganda, der die deutschen Medien durchgehend erliegen. Es geht eben nicht um die "Frage: sparen oder Geld ausgeben". Es geht um die Frage, ob wir unsere Volkswirtschaften so am Laufen halten, dass mit den dann zu erzielenden Steuereinnahmen Schulden abgebaut werden können.
Außerdem ist festzuhalten, dass auch in Deutschland eine "langfristige Haushaltsstabilisierung" nicht gelungen. Diese Behauptung wird nicht wahrer dadurch, dass alle deutschen Medien in ihrer unnachahmlichen Mittelmäßigkeit dies nachbeten.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch ein aktueller Beitrag von Dani Rodrik in Project Syndicate "Wer hat Europa verloren?":
(Auszug)
Die beste Methode, um Schulden (außer durch Zahlungsunfähigkeit) loszuwerden besteht darin aus ihnen herauszuwachsen.
Deshalb braucht Europa eine kurzfristige Wachstumsstrategie, um sein finanzielles Unterstützungspaket und seine Pläne zur Haushaltskonsolidierung zu ergänzen. Das größte Hindernis für die Umsetzung dieser Strategie ist die größte Volkswirtschaft der EU und ihr mutmaßliches Leittier: Deutschland.
Obwohl sein Staatshaushalt und seine Außenwirtschaftsbilanz solide sind, hat Deutschland sich gegen Forderungen gewehrt seine Inlandsnachfrage weiter anzukurbeln. Seine Fiskalpolitik ist expansiv gewesen, aber nicht einmal annähernd in dem Maße wie in den USA. Deutschlands strukturelles Staatsdefizit ist seit 2007 um 3,8 Prozentpunkte des BIP gestiegen, verglichen mit 6,1 Prozentpunkten in den USA.
Abwegig daran ist, dass Deutschland einen riesigen Leistungsbilanzüberschuss aufweist. Dieser Überschuss, der sich Prognosen zufolge im Jahr 2010 auf 5,5% des BIP belaufen wird, liegt unweit hinter dem von China mit 6,2% zurück. Also muss sich Deutschland bei Defizitländern wie den USA, oder Spanien und Griechenland in Europa, dafür bedanken, dass sie seine Industrien stützen und seine Arbeitslosenquote davon abhalten weiter zu steigen. Als wohlhabende Volkswirtschaft, die zur globalen Wirtschaftsstabilität beitragen sollte, erbringt Deutschland nicht nur nicht seinen gerechten Anteil, sondern ist Trittbrettfahrer der Wirtschaft anderer Länder.
Es sind Deutschlands Partner in der Eurozone, insbesondere schwer angeschlagene Länder wie Griechenland und Spanien, die den Großteil der Kosten tragen. Das Leistungsbilanzdefizit dieser Länder zusammengenommen entspricht fast genau dem Überschuss von Deutschland. (Die Leistungsbilanz der Eurozone insgesamt ist gegenüber dem Rest der Welt ausgeglichen.)
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