Wachstum und Umverteilung Von Hans-Georg Draheim (Neues Deutschland)
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Kräftiger Wirtschaftsaufschwung nach der Krise, aber nicht bei Lohn und Konsum
Nach dem Krisenjahr 2009 holt die deutsche Wirtschaft schneller auf, als es die Regierung vorausgesagt hatte. Doch unter dem Strich wachsen vor allem der Export und die Gewinne. Schwachpunkte bleiben der private Konsum, der Lohn und das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte.Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch bekannt gab, stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2010 nach vorläufigen Berechnungen gegenüber 2009 um 3,6 Prozent. Dem steilsten Einbruch der Wirtschaft 2009 folgte im vergangenen Jahr der kräftigste Aufschwung seit der Wiedervereinigung. Dennoch rechnet die Regierung erst im Laufe dieses Jahres damit, dass die Wirtschaftsleistung den Vorkrisenstand erreichen wird.
Der Staatssektor wies 2010 in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise nach vorläufigen Berechnungen mit einem Finanzierungsdefizit von 88,6 Milliarden Euro den höchsten jemals gemessenen Wert aus. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen, ermittelten die Statistiker eine Defizitquote von 3,5 Prozent. Der im Maastricht-Vertrag genannte Referenzwert von 3,0 Prozent wurde damit erstmals seit fünf Jahren wieder überschritten.
Der stärkste Motor des wirtschaftlichen Aufholprozesses war wiederum das Exportwachstum mit einem Plus von 14,2 Prozent. Die Importe legten um 13,0 Prozent zu. Der Überschuss im Außenhandel trug damit rund ein Drittel zum wirtschaftlichen Gesamtwachstum bei.
Folglich steuerte die Binnenwirtschaft die restlichen zwei Drittel bei die einzelnen Komponenten freilich in sehr unterschiedlichem Maße: Die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen übertrafen mit plus 9,4 Prozent den Gesamtdurchschnitt deutlich. Die Bauinvestitionen legten hingegen real um 2,8 Prozent und der Staatskonsum um 2,2 Prozent zu.
Wirtschaftliche Schwachpunkte blieben indes weiterhin der private Konsum, die Löhne und das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte. So schrammte der private Konsum 2010 mit einem Plus von real 0,5 Prozent nur knapp an einer erneuten Stagnation vorbei. Obwohl das Volkseinkommen insgesamt stark zugelegt hat (plus 6,0 Prozent), erreichten das Arbeitnehmerentgelt sowie das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte nominal nur jeweils 2,6 Prozent Zuwachs. Unter Abzug der Inflation von 1,1 Prozent wird die prekäre Finanzlage der privaten Haushalte noch deutlicher. Dennoch erhöhten die Bürger ihre Sparquote gegenüber dem Vorjahr von 11,1 auf 11,4 Prozent, um die dringend notwendige Altersvorsorge zu sichern.
Unterstützend wirkte auch nicht, dass die Zahl der Erwerbstätigen 2010 um 212 000 Personen bzw. um 0,5 Prozent höher und die Zahl der Arbeitslosen gleichzeitig um 260 00 Personen bzw. um 7,9 Prozent niedriger war als ein Jahr zuvor. Die atypische Beschäftigung und der Bereich der Niedriglöhne weiten sich nämlich immer mehr aus und schmälern so die Kaufkraft der privaten Haushalte.
Das Plus des Arbeitnehmerentgelts blieb auch deutlich hinter dem Anstieg der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen zurück, die um 3,1 Prozent gestiegen ist. Die starke Zunahme des Volkseinkommens geht daher vor allem auf das Unternehmens- und Vermögenseinkommen zurück mit plus 13,2 Prozent stiegen sie vier Mal so stark an wie die Löhne, weshalb die Umverteilung zugunsten der Gewinne 2010 weiter zunahm.
Auf der Entstehungsseite des Bruttoinlandsproduktes erreichte die Industrie dank der Exportwirtschaft bei der Wertschöpfung mit plus 10,3 Prozent das stärkste Wachstum. Auch die Bauwirtschaft (+1,8 Prozent) und der Dienstleistungsbereich (+2,3 Prozent) verzeichneten eine positive Entwicklung. Lediglich die Landwirtschaft (-0,3 Prozent) blieb gegenüber dem Vorjahr im negativen Bereich.
Für 2011 erwarten Experten eine gebremste Fortsetzung der Konjunkturerholung. Sie sehen vor allem wegen der starken deutschen Exportabhängigkeit auch Risiken. Durch die anhaltende Schuldenkrise sei ein plötzlicher Exporteinbruch nicht auszuschließen. Auch die steuerpolitischen Maßnahmen seien eher dazu geeignet, die Konjunktur und damit die Staatsschulden zu be- als zu entlasten.
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
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