Lebensmittel-Tafeln und Suppenküchen verzeichnen einen enormen Zulauf in ganz Deutschland. Hilft das Spenden von Essen, um den Weg aus der Armut zu finden? Die Praxis zeigt, viele Menschen richten sich ein im System einer "mildtätigen Rundumversorgung". Vom sozialen Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" sind viele Tafeln und Suppenküchen weit entfernt.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise wirft auch eine weitere Frage auf: Wie viel Eigenverantwortung soll der Einzelne übernehmen und wie sehr soll sich der Staat kümmern? Kann man sich in der Not auf staatliche Hilfe verlassen oder ist eigenes Engagement gefragt? Nehmen wir mal dieses Beispiel: Öffentliche Suppenküchen und Tafeln, wo Bedürftige kostenlos Lebensmittel oder eine warme Mahlzeit bekommen. Eigentlich eine tolle Idee, oder? Wir fragen, ob diese bequeme Form der Armenhilfe nicht eins erstickt: Die eigene Initiative, die dringend nötig ist, um sich selbst aus der Bedürftigkeit zu befreien. Ein Tabuthema, haben unsere Autoren Axel Svehla und Eva Simon bei ihren Dreharbeiten erfahren.
Immer mehr Menschen stehen Schlange, um sich mit Lebensmitteln oder einer warmen Mahlzeit versorgen zu lassen. Ob in Rostock oder Regensburg für viele gehört die Suppenküche oder der Besuch so genannter "Tafeln" längst zum Alltag. Auch hier in Darmstadt: Die Tafel ist ja ein Geschenk, ja, dass jemand was tut, dass man nicht leiden muss, also ich krieg Hartz IV, ich bin arm, aber ich hab jetzt so viel, dass ich nicht leide. Das Essen ist doch eigentlich okay. Was wollen wir mehr. Klar gibt's mal dies und jenes, was man nicht so isst, aber das ist zu Hause genauso, bei Muttern. Ernährung durch Lebensmittelspenden, Versorgung durch eine Tafel für die meisten hier längst eine Selbstverständlichkeit. Auch für die Leiterin der Darmstädter Tafel. Sie sieht die Essensausgabe für Bedürftige als Dauereinrichtung. Doris Kappler, Darmstädter Tafel e.V.
"Wir sind eine feste Größe im sozialen Leben in Darmstadt, und die Menschen wissen das, durch Mundpropaganda, und die kommen gerne zu uns, das ist wie gesagt das Wohnzimmer. Die kommen einfach, setzen sich hin, morgens, sie haben das ja gesehen, trinken ihren Kaffee, essen Brötchen, lesen Bild oder was weiß ich was sie machen, sie sind wie zu Hause. Und das sind sehr viel immer dieselben Leute. Die kommen von Anfang an."
Dabei ist eine Diskussion über Sinn und Unsinn dieser Art von Wohltätigkeit längst überfällig. Dominik Enste, Institut der Deutschen Wirtschaft
"Wenn man sich daran gewöhnt, wenn das regelmäßige Leistungen sind, kann es eben dazu führen, dass man unselbständiger wird, dass man irgendwann gar nicht mehr selber in der Lage ist zu kochen, einzukaufen, und man kein Gefühl mehr hat für Preise in den Geschäften, ja einfach die Relationen nicht mehr im Blick hat und auch gar nicht mehr einschätzen kann, wie weit bin ich Almosenempfänger, inwieweit bin ich noch selbständig in der Lage mein Leben zu gestalten."
"Wir bedienen an den Tischen, wir möchten immer zwei Essen zur Auswahl haben, damit man wählen kann, und für uns sind diese Zeichen genauso wie ein schön gedeckter Tisch ein Ausdruck der Wertschätzung derer, die zu uns kommen."
Besucher
"Es ist halt allgemeines Wohlfühlen, man sitzt bequem, wird nicht von andern irgendwie komisch angeguckt, weil alle sitzen im Prinzip im selben Boot. "
"Also wenn ich ganz ehrlich bin, für mich ist das auch einfacher. Man spart ja auch einiges. Wenn man sich da jeden Tag an den Herd stellt, das kostet auch Strom. "
"Bevor's die Suppenküche noch nicht gab, haben wir selber gekocht, natürlich. Und seitdem es das gibt, hier in der Suppenküche, nutzen wir das ganz gerne einmal die Woche. "
"Kernproblem kann bei den Tafeln dadurch entstehen, dass Menschen längerfristig die Fähigkeit verlieren, für sich selber zu sorgen. Das heißt, dass sie fast wie bei einer Fütterung in der freien Wildbahn, man falsch erzogen wird, man selber nicht mehr in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, also bildlich gesprochen jagen zu gehen und für sich selber zu sorgen, sondern immer stärker angewiesen wird auf diese Hilfe."
"Wenn die Gäste essen gehe ich zu ihnen und frage, ob sie nicht Lust hätten, in der nächsten Woche wieder zu kommen um gemeinsam mit uns zu kochen."
Besucher
"Ich koche fast gar nicht so gerne, und jetzt wurde ich hier angesprochen und mir gefällt es eigentlich sehr gut."
"Wir versuchen, ihnen immer wieder klar zu machen, dass Eigeninitiative gefragt sein muss und Passivität am Ende Sackgasse heißen kann. Ich habe etwas gegen Bittstellertum, ich würde gerne erreichen wollen, dass wir neue Wege gehen ob es in der Tafelarbeit oder in der Suppenküchenarbeit ist, und dieser Weg kann einfach nur Hilfe zur Selbsthilfe bedeuten."
Das ist Manuela Jahnz mit zwei ihrer drei Kinder. Sie wohnt in Berlin Weißensee. Frau Jahnz ist seit Jahren arbeitslos, Hartz IV Empfängerin und Allein erziehend. Sie könnte mit ihren Kindern täglich in einer Suppenküche essen, von jeder Tafel bekäme sie zusätzlich Lebensmittel. Aber Frau Jahnz will das nicht mehr. Manuela Jahnz
"Also ich selber möchte nicht in einer Suppenküche essen. Ich hab's ne Zeitlang gemacht, und ich muss sagen, ich finde es eben doch schöner, wenn ich mit dem bisschen Geld was ich habe, doch ganz gut alleine klar komme ohne irgendwelchen Hilfen. Dass man eben versucht selber den Mut zu haben und zu sagen, es ist wenig, was man hat, und man kommt eben trotzdem klar."
"Ist es nicht die Tafel, die den Menschen es ermöglicht, so weiter zu machen wie bisher?"
"Wenn man das so sieht, haben Sie Recht. Aber auf der anderen Seite ist es einfach, ja, wir arbeiten, um die Leute etwas zufriedener zu machen, so seh' ich das." Und was meinen Sie? Uns interessiert, wie SIE darüber denken? Bloggen Sie mit uns zu der Frage: "Wie sinnvoll sind Einrichtungen wie Suppenküchen?". Unsere Adresse: www.kontraste.de. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung.
Beitrag von Axel Svehla und Eva Simon
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
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