Donnerstag, 11. November 2010

#Sie #lügen #wie #gedruckt [via Junge Welt] #vollständige #Offenlegung #der #Wasserverträge #notwendig ..


Sie lügen wie gedruckt

(Junge Welt)

http://www.jungewelt.de/2010/11-12/051.php

Der Berliner Senat demonstriert, warum das vom

Volksbegehren geforderte Gesetz über die vollständige

Offenlegung der Wasserverträge notwendig ist

Von Jörn Boewe

Ist doch klar, die haben nicht alles veröffentlicht«, sagt der Müllwerker. »Deshalb geh ich zum Volksentscheid.« Nein, das ist nicht Teil eines Dialogs aus dem neuen Werbespot der Bürgerinitiative »Berliner Wassertisch«.
 
Der Text ist echt, authentisch, Donnerstag früh so aufgeschnappt in den Straßen von Berlin. Und wie der BSR-Mann denken viele.
 
Nachhaltigkeit ist ein Schlagwort, das heutzutage jeder Politiker, egal welcher Parteirichtung, ganz oben auf der Liste haben muß, aber das Nachhaltigste, was die politische Klasse bislang produziert hat, ist ein tiefsitzendes Mißtrauen der Staatsbürger gegenüber ihrem Staat.

Am Mittwoch hatte der Berliner Senat die zwölf Jahre lang unter Verschluß gehaltenen Verträge über die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe veröffentlicht – im Einvernehmen mit den privaten Anteilseignern RWE und Veolia.

 
Zwei Wochen zuvor hatten die Initiatoren des Volksbegehrens »Schluß mit den Geheimverträgen« 280000 gültige Unterstützungsunterschriften – gut 100000 mehr als vorgeschrieben – für ihren Entwurf eines Offenlegungsgesetzes an die Landeswahlleiterin übergeben. Damit war klar, daß es spätestens Anfang nächsten Jahres einen Volksentscheid zu der Frage geben würde.

Drei Tage später veröffentlichte die taz im Internet eine Kopie des Vertrages, den sie, wie sie schrieb, »exklusiv« von einem »Informanten« bekommen hatte, dessen Identität sie natürlich nicht preisgeben konnte. Anderthalb Wochen später, am Mittwoch, zog Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mit seinen »Wasserpartnern« offiziell nach. Was der Senat nun veröffentlicht hat, seien »sämtliche Unterlagen, auch alle Änderungsvereinbarungen«. Das Konvolut umfaßt rund 700 Seiten, im Gegensatz zu den knapp 200 Seiten, die die taz ins Netz gestellt hatte. Die kommentierte umgehend, der Volksentscheid sei nunmehr »überflüssig«, denn: »Es gibt nichts mehr zu entscheiden.«

Doch ist nun tatsächlich der vollständige Vertrag veröffentlicht – inklusive aller rechtlich verbindlichen »Beschlüsse und Nebenabreden«, wie es das Volksbegehren gefordert hatte? Auf das Urteil der taz kann man sich dabei nicht verlassen, denn die hielt schon das vor zwei Wochen von ihr online gestellte Dokument für den »kompletten Vertrag« – ohne ihren Lesern zu verraten, woher sie das wissen wollte.

 
Aber auch für das Mißtrauen gegenüber dem Senat von Berlin gibt es gute Gründe. Nicht nur daß SPD und Linkspartei sich acht Jahre lang bemühten, das Konvolut unter Verschluß zu halten und erst, als eine Veröffentlichung praktisch nicht mehr zu verhindern war, die Flucht nach vorn antraten. Nein, die zuständigen Senatsverwaltungen haben in den letzten Tagen – vorsätzlich oder grob fahrlässig – nachweislich falsche Informationen an die Presse gegeben.

Am 2. Nobember, drei Tage nachdem die taz ihren »kompletten Vertrag« ins Netz gestellt hatte, fragte die junge Welt bei der Senatsverwaltung für Finanzen und der für Wirtschaft nach, ob sie die Echtheit und Vollständigkeit des Vertragswerkes bestätigen könnten.

 
Die Antwort kam ungewöhnlich schnell: Beide Ressorts versicherten umgehend, die Dokumente seien authentisch und im wesentlichen vollständig. Über das von der taz veröffentlichte Material hinaus gebe es »nur noch formelle Anlagen« wie etwa »Geschäftsordnungen«, »Gesprächs­protokolle«, aber nichts, was den eigentlichen Privatisierungsverträgen zugerechnet werden könne.

Wie die Veröffentlichung vom Mittwoch zeigt, war dies eine Falschinformation.Tatsächlich fehlten umfangreiche Bestandteile wie die Verträge über stille Gesellschaften, der Interessenwahrungsvertrag und mindestens eine Änderungsvereinbarung zum ursprünglichen Konsortialvertrag.

 
Der Sprecher von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) erklärte gestern auf Nachfrage, er habe lediglich »von wesentlichen Vertragsbestandteilen« und »nicht vom kompletten Vertrag« gesprochen. Möglicherweise hätten »die turbulenten Arbeitsbedingungen an jenem Tage durchaus zu Mißverständnissen geführt«.
 
Die Sprecherin von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos für SPD) erklärte: »Ihre damalige Anfrage, ob die Veröffentlichung der taz den Kernvertrag umfaßt, habe ich bestätigt.
 
Die in der taz-Veröffentlichung nicht einbegriffene 6. Änderungsvereinbarung bezieht sich auf die technische Umsetzung eines Urteils, nicht auf vertragliche Kernvereinbarungen.«

Wer noch eine offizielle Bestätigung braucht, daß der Berliner Senat immer nur soviel zugibt, wie er gerade meint zugeben zu müssen: Das ist sie.


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