Was ist anders?
(Zum Ostersonntag)
Was ist anders an diesem Ostermorgen? Was hat diese Nacht verändert?
Die Sonne geht auf - wie jeden Tag; und doch scheint sie heller und kräftiger zu leuchten.
Wir stehen auf - wie jeden Tag; und doch ist dieser Tag ein Festtag, an dem wir uns anders kleiden, gut essen, einander froh begegnen.
Was ist anders für Sie, für mich an diesem Ostermorgen? Die Jünger und Jüngerinnen Jesu haben eine ganze Weile gebraucht, bis sie begreifen und ihre Erfahrungen in Worte fassen konnten:
>>Ihr wisst, was geschehen ist...<<
...beginnt Petrus seine Rede in der Apostelgeschichte und erzählt, was vor Ostern war. Als Zeitgenosse Jesu konnte man zunächst nur einmal schauen, ein bischen hinsehen, manchmal auch etwas übersehen oder gar wegsehen. Vor Ostern wurde für manche aus diesem Hinsehen ein Mitgehen. Sie haben sich entschieden, mehr mit und durch Jesu zu erleben, seine Botschaft zu verstehen und von ihm zu erzählen. Er war als lebendiger Mensch mitten unter ihnen, war Rückhalt und Schutz. Jesus bot letztlich immer noch die Sicherheit, überprüfen zu können, ob das, was er sagte, glaubwürdig war, und das, was die Zeugen verkündeten, in seinem Sinne war. Das Zusammensein mit ihm war vor Ostern wesentlicher Bestandteil der Zeugenschaft. Bei aller Nähe und aller Entscheidung gab es immer noch die Möglichkeit, wegzugehen und diese Zeugenschaft aufzukündigen.
>>Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen...<<
Das ist der Moment, der alles anders macht. Jetzt werden die eigenen Glaubenserfahrungen Inhalte der Verkündigung: die Erkenntnis, dass Gott ein Gott der Lebenden ist, ein gerechter Gott, der vergibt und barmherzig ist. So bekam die Botschaft selbst, die Gemeinschaft der Jüngerinnen und Jünger und jede einzelne Person eine neue Bedeutung. Ihr jeweiliges Bekenntnis aus ihrer Erfahrung heraus war entscheidend für die Zukunft.
>>Und er hat uns geboten, dem Volk zu verkünden und zu bezeugen...<<
Zeuge sein heißt von jetzt an, im eigenen Namen, mit eigenen Worten von diesem lebendigen Gott, der mitten unter uns ist, zu erzählen. Es gilt, der eigenen Erfahrung und Erkenntnis zu trauen. Zeuge sein bedeutet auch, diese Auferstehungserfahrung im eigenen leben und im Leben der anderen immer wieder zu suchen; sich auferwecken zu lassen aus den vielen Dunkelheiten des Alltags.
Was ist anders - für uns - an diesem Ostersonntag?
Ich wünsche uns, dass aus unseren Hinsehen, manchmal auch Übersehen oder gar Wegschauen, ein Mitgehen wird. Jesu Botschaft von Gott ist mehr als ein Betrachtungsobjekt, weil sie durch unser Leben führen kann. Sich von ihr leiten zu lassen, kann uns das Leben entdecken lassen, wo wir an Grenzen stoßen. Das mag das eine Mal heißen, im Streit das Wort der Versöhnung zu finden und nicht wortlos auseinander zu gehen.
Das mag heißen, der eigenen Idee zu trauen und neue Wege zu beschreiten, die zwar anstrengend sein können, aber ganz neue Perspektiven bieten.
Das mag auch heißen, sich der Dunkelheit, den Gräben in unserem Leben zu stellen und Gottes Barmherzigkeit als Ermutigung zum Leben zu erfahren.
Ich wünsche uns an diesem Ostermorgen auch, dass aus diesem Mitgehen ein Erzählen wird: das man ansieht, aus welcher Freude und Kraft wir leben.
Dass wir einander und anderen von Gott erzählen können, der das Leben will, auch dann noch, wenn der Tod so große Macht zu haben scheint.
Ich wünsche uns, dass wir nicht nur als Einzelne dadurch Zeuginnen und Zeugen werden, sondern als ganze Gemeinde von Gott erzählen. Dann wird man auch uns als Auferweckte, die dem Leben standhalten, erkennen. Ich wünsche uns das Fest der Auferstehung.
(Dienst am Wort - 2006/3 - Seite 278 f. - Schwabenverlag)
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