Das philosophische Radio vom 4. Januar 2002
Hannah Arendt propagierte die Existenz des Außenseiters.
"Nur ein Außenseiter ist in finsteren Zeiten in der Lage, sein Urteilsvermögen vor dem Zwang zu Konformismus und Anpassung zu retten." Als Jüdin, mit der Ausgrenzung vertraut, besaß sie 18 Jahre keinen Paß.
Wie kein anderer Philosoph hat sie das Konzentrationslager und das totalitäre Gesellschaftssystem als wesentliche Erscheinung der Moderne und als Ansatz jeder Lebenskunst begriffen. 1933 im Pariser Exil erkannte sie, dass viele Intellektuelle vieles über Hitler sagten, ohne etwas vom Faschismus zu begreifen.
Übung:
Schreiben Sie eine Minute auf, was Ihnen spontan zu "Hitler" einfällt. Geben Sie dann Ihren Hauptgedanken über Hitler in einem Satz wieder.
1941 kam Hannah Arendt in das KZ Gurs (Südfrankreich). Sie konnte aber dann in die USA fliehen. Dort schrieb sie ihr Hauptwerk: "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft." Als Ursache des modernen Totalitarismus nannte sie die Einsamkeit, Verlassenheit und Isolation des einzelnen Individuums.
Aus Angst vor seiner individuellen Freiheit sucht das Individuum Schutz im totalitären Kollektiv. Die einzelnen lassen sich in der Moderne leicht zu einem "berauschenden und übermächtigen Singular organisieren". Als Zentrum des totalen Systems entsteht dann das KZ. Das KZ soll den Mitgliedern des totalitären Systems beweisen, dass man mit Menschen unterhalb der Existenz von Tieren alles machen kann und auch macht.
Die KZ zeigen, dass "der Mensch überflüssig ist." Die KZ demonstrieren das radikale Böse, das nicht zu rächen, zu verzeihen und nicht zu bestrafen ist. Als Hannah Arendt 1961 in Jerusalem den Prozess gegen den Organisator der Judenvernichtung Adolf Eichmann verfolgte, bekam sie einen Schock.
Das personifizierte Böse war kein Ungeheuer. Eichmann war ein "bürokratischer und banaler Hanswurst." Das radikal Böse kann jederzeit wieder aus der "Gosse geboren werden und Macht über alle gewinnen." Ihre Lebenskunst bestand für Hannah Arendt im kritischen Denken als Außenseiterin gegen jeden Totalitarismus. Im Denken verlässt das Ich die Sinne.
Es ist im Nirgendwo und in der Nirgendzeit. Es ist in der selbstgewählten Einsamkeit der inneren Zwiesprache. Hannah Arendt entwickelte im Alter, als Reaktion auf Auschwitz, eine mystische Lebenskunst.
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
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