Donnerstag, 5. August 2010

Das ­griechische Drama droht neu aufgeführt zu werden. (der Freitag)


Trübe Aussichten

(der Freitag)
 

 

Das ­griechische Drama droht neu aufgeführt zu werden.

Ob die Eurozone diesen Kurs überlebt, ist ungewiss.

Die Alternative: Investieren, Umverteilen, Regulieren


Kurzes Durchatmen in der Krise: Die Finanzmärkte geben Zapatero, Papandreou & Co. wieder frische Kredite. Griechen und Spanier müssen jetzt keine Wucherzinsen mehr zahlen. Der Tiefflug des Euro ist vorerst gestoppt. Der Euro-Rettungsschirm mit 750 Milliarden Spannweite zeigt Wirkung. Darüber hinaus kauft die Europäische Zentralbank eifrig Staatsanleihen. Das stabilisiert die Kurse. Und mit dem fragwürdigen Banken-Stresstest sollen die Märkte beruhigt werden. Doch die Atempause könnte kurz sein. Denn die Ursachen der Krise wirken weiter.

Der Euroclub ist tief gespalten. In der Belle Etage wohnen hoch wettbewerbsfähige Deutsche, Niederländer und Österreicher. Im Keller hausen Spanier, Griechen, Italiener und Portugiesen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Euro-Mitglieder klafft immer weiter auseinander. Seit Einführung der gemeinsamen Währung werden die starken Länder stärker und die schwachen Länder schwächer.

Der deutsche Außenhandelsüberschuss mit der Eurozone hat sich verfünffacht. Athen, Madrid und Lissabon schreiben hingegen rote Zahlen. Entscheidend für die deutschen Exporterfolge ist nicht nur die Qualität sondern auch der Preis. Deutsche Waren wurden schlicht billiger. Warum dies möglich war, zeigt ein Blick auf die Lohnstückkosten – das Verhältnis von Arbeitskosten und Produktivität. Wenn die Arbeitskosten hinter der Produktivität zurückbleiben, dann purzeln die Lohnstückkosten und somit auch die Preise. Im Hochproduktivitätsland Deutschland kommen die Löhne nicht vom Fleck. Folglich sind die deutschen Lohnstückkosten seit Euroeinführung kaum gestiegen. Die spanischen, portugiesischen und griechischen Lohnstückkosten kletterten neun- bis elfmal so stark.

Club Med im Schuldenmeer

Dem Handel folgt das Kapital. Mangels rentabler heimischer Anlagemöglichkeiten werden die Ersparnisse im Ausland investiert. Der deutsche Kapitalexport finanziert den griechischen, spanischen, portugiesischen und italienischen Konsum auf Pump. Mittelfristig sind diese wachsenden Ungleichgewichte untragbar. Der "Club Med" droht im Schuldenmeer zu ertrinken.

Ein Abbau der Ungleichgewichte ist nicht absehbar. Im Gegenteil: Die europäische Sparorgie verschärft die Probleme. Die Überschussländer setzen auch in der Krise alles auf Export. Der Binnenmarkt der größten Euro-Volkswirtschaft kommt hingegen nicht in Schwung. Die gesamtwirtschaftliche Lohnschwäche setzt sich hierzulande fort. Die öffentlichen Investitionen fallen der Sparpolitik zum Opfer. Das 80 Milliarden Euro schwere Sparpaket der schwarz-gelben Bundesregierung drückt das deutsche Wachstum im nächsten Jahr um bis zu ein Prozent. Folglich können die Defizitländer nicht auf die Hilfe des Auslands hoffen. Schwache Binnenmärkte der Belle Etage ermöglichen den südeuropäischen Kellerkinder keine steigende Warenausfuhr. Gleichzeitig sparen Zapatero, Papandreou und Berlusconi ihre heimische Wirtschaft kaputt. Ein Staatsetat ist kein Privathaushalt. Schrumpfende öffentliche Ausgaben drosseln auch die Firmengewinne. Handwerk und Bau erhalten weniger öffentliche Aufträge. Beschäftigte, Arbeitslose und Bedürftige kaufen weniger. Der Nachfragemangel verschärft sich. In der Krise wirkt die Sparpolitik als Wachstumsbremse.

Die aktuellen Sparpakete im Umfang von drei bis sieben Prozent der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit drohen die südliche Eurozone in eine tiefe Rezession zu stürzen. In Spanien, Griechenland und Portugal drücken die Kürzungen das heimische Wachstum zwischen 0,3 und 1,1 Prozent. 2011 senken die Sparpläne das Wachstum um weitere 0,4 bis 1,2 Prozent. Trübe Aussichten. Denn die südeuropäischen Volkswirtschaften schrumpften schon bevor ihre Schatzmeister den Hahn zudrehten. Wenn aber in Athen, Madrid und Lissabon der Wachstumsmotor stottert und die Arbeitslosigkeit steigt, dann sinken auch die Steuereinnahmen. Folglich wachsen die Schuldenberge. Die schwache Wirtschaftsdynamik reicht nicht mehr aus, um die Schulden zu bedienen. Es ist dann nur eine Frage der Zeit bis Investmentbanken und Hedge-Fonds auf die nächste Staatspleite spekulieren. Das griechische Drama droht in Madrid und Rom neu aufgeführt zu werden. Ob die Eurozone dies überlebt, ist ungewiss.

Löhne müssen jetzt steigen

Soweit darf es gar nicht erst kommen. Die realwirtschaftlichen Ursachen der Eurokrise müssen jetzt angegangen werden. Der Süden des Eurolands kommt jedoch nur wieder auf die Beine, wenn die Überschussländer die wirtschaftliche Entwicklung des Währungsraumes kräftig ankurbeln. In Deutschland müssen die Löhne – insbesondere in den binnenmarktnahen Branchen – wieder kräftig steigen. Die öffentlichen Investitionen in Bildung, Gesundheit, Umwelt und Infrastruktur müssen ausgeweitet werden. Ein kräftig wachsender Binnenmarkt im größten Überschussland eröffnet griechischen, spanischen und portugiesischen Exporteuren neue Absatzchancen. Nur so können die Ungleichgewichte solidarisch abgebaut werden. Kurzfristig erfordert eine solche qualitative Wachstumsstrategie höhere Schulden, mittelfristig höhere Steuern auf große Einkommen und Vermögen.

Damit aber nicht genug. Die Staatsfinanzierung muss künftig von den Kapitalmärkten entkoppelt werden. Investmentbanker und Hedge-Fonds-Manager dürfen nicht mehr über die Höhe der Verzinsung der Staatsschuld bestimmen. Japan und die USA zeigen wie es anders geht. Dort finanziert die Zentralbank direkt – über den Aufkauf von Staatsanleihen – die öffentlichen Haushalte. Das Inflationsgespenst blieb im Schrank. Darüber hinaus müssen Teile des Casinos endlich geschlossen werden. Der Handel mit Kreditausfallversicherungen sollte verboten werden. Rating Agenturen sollten entmachtet werden. Die Zahlungsfähigkeit von Staaten sollte dann durch die Europäische Zentralbank bewertet werden. Und eine Finanztransaktionssteuer würde die Spekulation empfindlich verteuern.

Kurzum: Wir brauchen jetzt einen politischen Dreiklang aus Investieren, Umverteilen und Regulieren. Eine solche Wirtschaftspolitik gestaltet die Zukunft des Euroclubs und spart sie nicht kaputt.

Posted via email from 01159 Dresden Löbtau-Süd und Umgebung

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