global news 3465 03-05-16:
AfD: Der Aufstand der oft Ahnungslosen
Anders als beispielsweise "gute" Franzosen, neigen "gute" Deutsche nicht zum Aufstand. Wenn sie dennoch in Massen aufstehen und einer national-liberalen Partei zuneigen, muß der soziale Vertrag zwischen dem Volk und seiner Regierung schwer beschädigt sein. Das gilt umso mehr, wenn dieselbe Masse, die nun in Deutschland aufsteht, einer Partei zuneigt, die sehr vielen der Zuläufer mit ihrem sozialpolitischen Programm schwer schaden würde, wenn es jemals eine Chance zur Realisierung bekäme. Denn es sind zu großen Teilen die "kleinen Leute" und die sozial Benachteiligten, die bei dieser Partei Hilfe suchen, von denen viele in ihrem Frust gar nicht mehr zur Wahl gegangen sind. Es sind auch sehr viele, die nicht mehr an die SPD und ihre sozialen Versprechungen glauben, und mit ihrem Rückzug die SPD in den Umfragen immer weiter absinken lassen.
Die AfD fordert zwar im neuen Parteiprogramm, "sich auf Soziale Marktwirtschaft zurückzubesinnen". Doch was die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland eigentlich ruiniert hat, will sie nicht korrigieren, nämlich: die wiederholten Steuersenkungen für die Besserverdiener (Kürzung des Spitzensteuersatzes, Abschaffung der Vermögenssteuer, Einführung der Kapitalertragssteuer von nur 25 %), die gravierenden Einschnitte in das soziale Netz durch die Schröderschen Reformen (Hartz IV, etc.), die Erleichterung der Leiharbeit, die Rentenformel mit der vorprogrammierten Rentensenkung, und die Ermöglichung lohndrückenden Dumpings aus China u. Co - kein einziges Wort von diesen vielen Einschnitten in die Soziale Marktwirtschaft im neuen Parteiprogramm der AfD.
Stattdessen predigt das Parteiprogramm in großen Worten: "Je mehr Wettbewerb und je geringer die Staatsquote, desto besser für alle. Denn Wettbewerb schafft die Freiheit, sich zu entfalten und selbst zu bestimmen, privates Eigentum an Gütern und Produktionsmitteln erwerben zu können, eigenverantwortlich Verträge zum eigenen Wohl und zum allgemeinen Vorteil zu schließen, zwischen verschiedenen Anbietern, Angeboten oder Arbeitsplätzen wählen zu können, ertragsbringende Chancen zu nutzen". Das ist - mit wenig staatlichem Ausgleich - der neoliberale Wettbewerb der Starken gegen die Schwachen. Denn eine Absenkung der Staatsquote (Steuern als Anteil an der Wirtschaftsleistung) bedeutet in der Regel weniger soziale Leistungen und weniger staatliche Infrastruktur, auf die besonders die Schwachen angewiesen sind. Gerade die skandinavischen Länder zeigen immer wieder, wie mit einer höheren Staatsquote erfolgreich eine sozialere Marktwirtschaft als die derzeitige deutsche funktioniert (Abb. 19237).
Ihr wahres neoliberales und sozialfeindliches Gesicht verrät die AfD auch mit zwei weiteren Forderungen. Erstens heißt es im Programm: "Wir fordern den Wegfall der Arbeitgeberbeiträge im Rentenalter, um die Weiterbeschäftigung von zumeist gut ausgebildeten Arbeitnehmern zu fördern." Hat schon die Bundesregierung die Arbeitgeberbeiträge gekürzt, so sollen sie nach AfD ganz wegfallen, als könnten "gut ausgebildete Arbeitnehmer" sonst nicht beschäftigt werden. Und zweitens will die AfD "die Lebensarbeitszeit parallel zum Anstieg der Lebenserwartung verlängern", als wüßte man dort nicht, daß ärmere Menschen kürzer leben (Abb. 17323) und viele Ältere zwar gut ausgebildet sein können, aber dennoch unter den typischen Alterskrankheiten leiden (Abb. 19226).
Ob wohl die vielen Menschen, die sich jetzt hoffnungsvoll der AfD verschreiben, wenigstens ahnen, was da sozialpolitisch auf sie zukommen soll? Protest wählen ist eine Sache, sich dabei ahnungslos ins eigene Fleisch zu schneiden eine andere. Eine Alternative für Deutschland ist der weitere Abbau der Sozialen Marktwirtschaft nicht.
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