Mittwoch, 6. Juni 2012

Armut bei Erwerbstätigen und Arbeitslosen hat sich in Deutschland stärker ausgebreitet als in allen anderen EU-Ländern [via sozin]


Kehrseite der Arbeitsmarktstatistik
 

Geschrieben von: Böckler Stiftung

 
[via sozin.de]
 
http://sozin.de/kategorien/34-arbeitsmarkt/2674-kehrseite-der-arbeitsmarktstatistik
 

Armut bei Erwerbstätigen und Arbeitslosen hat sich in Deutschland seit den Hartz-Reformen stärker ausgebreitet als in allen anderen EU-Ländern.

Seit 2004 sind die Beschäftigtenzahlen in Deutschland kräftig gewachsen, die Arbeitslosigkeit hat deutlich abgenommen. Das "Beschäftigungswunder" überstand auch die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. Doch die positive Entwicklung hat eine Schattenseite, sagt WSI-Forscher Eric Seils: "Analysiert man die soziale Lage der Erwerbsbevölkerung, dann zeigt sich, dass die deutschen Beschäftigungserfolge mit einem hohen sozialen Preis verbunden waren."

Bei der Arbeitsarmut im europäischen Mittelfeld. Der Sozialwissenschaftler hat die aktuell verfügbaren Zahlen aus der EU-weiten Erhebung von Armutsdaten ausgewertet. 2009 waren laut EU-Statistikbehörde Eurostat in Deutschland 7,1 Prozent der Erwerbstätigen von Arbeitsarmut betroffen. Das heißt, ihnen standen weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Nettoeinkommens zur Verfügung - das ist die gängige wissenschaftliche Armutsgrenze. In Deutschland liegt diese Schwelle für einen Alleinstehenden bei 940 Euro im Monat. Im Vergleich zu 2004 ist der Anteil der "Working Poor" um 2,2 Prozentpunkte gestiegen. Damit nahm die Arbeitsarmut in Deutschland, ebenso wie in Spanien, deutlich stärker zu als in allen anderen EU-Staaten. Im Durchschnitt der Gemeinschaft wuchs die Armutsquote unter Erwerbstätigen nach Eurostat nur um 0,2 Prozentpunkte. Der überdurchschnittliche Anstieg führte dazu, dass Deutschland mittlerweile bei der Arbeitsarmut im europäischen Mittelfeld liegt. Zuvor war das Problem in der Bundesrepublik vergleichsweise selten.

70 Prozent der Arbeitslosen unter der Armutsgrenze. Noch weitaus drastischer stieg seit 2004 die Armutsquote unter Arbeitslosen - um 29 Prozentpunkte. Das war fast sechsmal so viel wie im EU-Mittel, macht Seils' Analyse deutlich. 2009 hatten 70 Prozent der Arbeitslosen in Deutschland nur ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze - 25 Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt der 27 EU-Staaten.

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