Freitag, 6. Mai 2011

#Abhaken und #durchwinken - Wie das #Finanzamt #bei den #Reichen #wegschaut um 20:15 Uhr in #MONITOR in #EinsExtra


Abhaken und durchwinken

Wie das Finanzamt bei den Reichen wegschaut

[MONITOR]

 

um 20:15 Uhr in EinsExtra [ARD-Digital]
 
http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2011/0505/reiche.php5
 

Bericht: Sascha Adamek, Christine Roskopf, Markus Zeidler

Sonia Seymour Mikich: "Nicht so einfach, zum nächsten Thema überzuleiten. Steuergerechtigkeit.

Es gibt zu wenige Steuerfahnder und Betriebsprüfer, das Personal reicht nicht hin und nicht her, und davon profitieren insbesondere Reiche und Selbstständige. Seit Jahren mahnt der Bundesrechnungshof einen bundesweiten gleichmäßigen Steuervollzug an. Stattdessen werden regelmäßig "Durchwinkewochen" angeordnet.

Die Beamten spotten schon: "Die Sonne scheint zum Fenster rein, haks ab, es wird schon richtig sein." Vor dem Finanzamt sind alle gleich? Ach was."

Zafer Tacyildiz Rechte: WDR 

Zafer Tacyildiz

Zafer Tacyildiz: "Hatten Sie irgendwelche Fehlzeiten?"

Steuerpflichtiger beim Finanzamt: "Ja."

Zafer Tacyildiz: "Haben Sie auch den Nachweis dabei, weil sie wissen, durch diese neuen Identifikationsnummern hat das Finanzamt den Zugriff darauf und kann ersehen, ob Sie Arbeitslosengeld erhalten haben oder nicht."

Klingt ein wenig wie ein Verhör. Doch Zafer Tacyildiz vom "Lohnsteuerhilfeverein Isar" in München will seinen Kunden helfen, zumindest ein bisschen ihrer Lohnsteuer vom Staat zurückzuholen. Seine Kunden, das sind ganz normale Arbeitnehmer. Und die können dem Finanzamt fast nichts verheimlichen.

Zafer Tacyildiz: "Sie haben zwei so Bausparverträge abgeschlossen, ist das richtig?"

Steuerpflichtiger beim Finanzamt: "Richtig."

Zafer Tacyildiz: "Weil diese Daten sind ja auch seitens ihrer Anbieter schon zum Finanzamt übermittelt worden. Das heißt, da müssen wir jetzt genau ..."

Reporter: "Wie transparent ist denn der normale Steuerbürger, der auf Lohnsteuerkarte arbeitet?"

Zafer Tacyildiz: "Der ist zu 100 % transparent, weil sämtliche Daten, die ihn betreffen, was die steuerlichen Sachen betreffen, sei es Versicherungen, sei es Arbeitslohn, sei es Zinseinnahmen, werden alle zum Finanzamt übermittelt."

In die Welt der Reichen kann das Finanzamt nicht so einfach hineinblicken. Peter Vollmer ist reich. Er ist Millionär. Und er weiß, wer vermögend ist, ein Unternehmen hat, dem muss das Finanzamt erst mal glauben, was er so als Gewinn und als Verlust angibt.

Peter Vollmer Rechte: WDR 

Peter Vollmer

Peter Vollmer: "Wenn ich schon mal mit Bekannten, die mehr Vermögen haben, zusammenkomme, dann ist das Thema sehr schnell beim Steuersparen angekommen. Man gibt sich gegenseitig Tipps, wie man am besten sparen kann. Ich hab so manchmal den Eindruck, Steuersparen bis hin zu Steuerhinterziehen ist geradezu ein Volkssport."

Ein Volksport, den Peter Vollmer ablehnt. Bereits in jungen Jahren hatte er reich geerbt. Seine Firmenanteile ließen das Geld immer mehr sprudeln. Einen Großteil davon steckte er in eine soziale Stiftung, die er selbst gegründet hatte. Rund zehn Millionen Euro, steuersparend. Eine eigene Stiftung, Millionensummen, und das über Jahre? Eigentlich Grund genug für eine Sonderprüfung des Finanzamtes, findet Vollmer selbst.

Reporter: "Herr Vollmer, wann sind Sie denn zum letzten Mal sondergeprüft worden?"

Peter Vollmer: "Ich bin in meinem Leben noch nie sondergeprüft worden."

Reporter: "Ist doch schön für Sie, oder?"

Peter Vollmer: "Mir ist es ein bisschen egal, da ich steuerehrlich bin, können die mich ruhig prüfen. Aber es ist bequemer, man wird nicht geprüft, das muss ich schon sagen."

Die Erfahrung, dass das Finanzamt nicht so genau hinschaut, dürften viele Reiche teilen. Eigentlich sollen sogenannte Einkommensmillionäre regelmäßig besonders durchleuchtet werden, durch Außenprüfungen etwa. Nur, die Praxis sieht anders aus, rügt nicht nur der Bundesrechnungshof seit Jahren.

Die Sachsen nehmen es damit noch am genauesten. Sie prüften 2009 immerhin knapp 39 % ihrer Einkommensmillionäre.

Im reichen Bayern hingegen wurden nur 18 % genauer unter die Lupe genommen. Und ausgerechnet in der Stadt [Hamburg] mit den meisten Millionären waren es gerade einmal 5 %.

Gerhard Schick, Bundestagsabgeordneter Rechte: WDR

Gerhard Schick, Bundestagsabgeordneter

Gerhard Schick, Bundestagsabgeordneter Bündnis 90 / Die Grünen: "Wir haben den Eindruck - und die Zahlen zeigen das ja auch - dass in den letzten Jahren noch mal gezielt bei der Steuerverwaltung gespart worden ist, Stellen abgebaut worden sind, und teilweise die Prüfquoten noch mal reduziert worden sind. Und das, obwohl der Bundesrechnungshof schon vor Jahren gesagt hat, der Vollzug in Deutschland ist gesetzeswidrig."

Steuerfälle, die liegen bleiben. Bereits seit Jahren wird das Problem fehlender Steuerbeamter kritisiert. Mehrere Landesfinanzminister reagierten - mit weiterem Stellenabbau.

Peter Vollmer: "Na, es ist geradezu ein Anreiz für reiche Leute auf möglicherweise krumme Art und Weise Steuern zu sparen. Jedenfalls muss man wohl nicht befürchten, dass man überprüft wird."

Dieser Mann weiß, wie Steuerhinterzieher ticken. Als Steuerfahnder kann Werner Stupka nicht mit uns sprechen. Aber als Steuerexperte der Gewerkschaft ver.di.

Werner Stupka, Steuerexperte ver.di Rechte: WDR 

Werner Stupka, Steuerexperte ver.di

Werner Stupka, Steuerexperte ver.di: "Jede Prüfung eines Einkommensmillionärs hat im Schnitt über 100.000 € mehr Steuern erbracht. Diese Beträge gehen bei zu wenig Prüfungen natürlich für immer verloren."

Bayern, Land der Berge - und der Millionäre. Ein reiches Land, das sich bezogen auf die Einwohnerzahl mit die wenigsten Finanzbeamten leistet. Kein Problem, meint der verantwortliche Minister, schließlich seien die bayerischen Prüfer im Ländervergleich besonders effizient beim Eintreiben zusätzlicher Steuern.

Georg Fahrenschon, Bayrischer Finanzminister, CSU: "Es gibt auch Unternehmen, die schaffen mit weniger Mitarbeitern bessere Ergebnisse. Wir setzen sehr stark auf IT-Unterstützung. Wir haben in den letzten vier Jahren fast 400 Millionen Euro in EDV investiert."

Computersysteme, die Auffälligkeiten in den Steuerakten automatisch aufspüren sollen, so rechtfertigt der Minister die dünne Personaldecke in Bayern. Nur: Wie gut funktioniert dieses elektronische Risikomanagement?

Werner Stupka, Steuerexperte ver.di: "Es gibt in Bayern keine funktionierenden Risiko-Management-Systeme im Bereich der Betriebsprüfung, im Bereich der Steuerfahndung und im Bereich der Veranlagung von Gewerbetreibern und Freiberuflern. Es gibt nur im Bereich der Arbeitnehmereinkünfte ein funktionierendes Risiko-Management-System."

Also trotz moderner EDV. Wieder sind es vor allem die normalen Arbeitnehmer, die lückenlos kontrolliert werden, Jahr für Jahr. Anders der Umgang mit Selbständigen und Unternehmen. Ein Beispiel: Statistisch bekommt ein mittelgroßes Unternehmen in Deutschland alle 13,7 Jahre Besuch vom Betriebsprüfer. In Bayern übrigens nur alle 15 Jahre. Steuerstraftaten sind da oft längst verjährt.

Werner Stupka, Steuerexperte ver.di: "Es handelt sich bei Mittelbetrieben nicht um kleine Klitschen. Das sind Freiberufler mit einem Jahresumsatz über vier Millionen Euro und einem steuerlichen Gewinn von 540.000 Euro. Also ganz erhebliche Beträge, die viele Jahre völlig ungeprüft bleiben."

Die bayerische Hauptstadt München. Hier ist die Personallage bei der Steuerfahndung besonders dramatisch. Bereits 2007 gab es einen Alarmruf des Bayerischen Obersten Rechnungshofes. Darin heißt es: Das Personal "… reicht für ein sachgerechte Fallbearbeitung nicht mehr aus".

 

Und: Der in München wesentlich stärker vorhandenen Wirtschaftskriminalität sei "nicht ausreichend entgegengetreten worden". Gerade im Rotlicht-Milieu, dem Gaststättenbereich und bei Taxiunternehmen mussten die Steuerfahnder wegen Personalmangel weitgehend blind bleiben. Das war 2007. Heute arbeiten nach MONITOR-Recherchen bei der völlig überlasteten Steuerfahndung in München noch weniger Fahnder als damals.

Reporter: "Damals 109, heute 97, damals schon die Aufgaben nicht gelöst, ist das ein haltbarer Zustand?"

Georg Fahrenschon, Bayrischer Finanzminister Rechte: WDR 

Georg Fahrenschon, Bayrischer Finanzminister

Georg Fahrenschon, Bayrischer Finanzminister, CSU: "Ich glaube, dass wir immer im Widerstreit der unterschiedlichen Interessen sind. Wir werden immer auch die Steuer organisatorisch nachziehen müssen, am Ende immer uns drauf ausrichten müssen, was sind die wesentlichen Fragestellungen, wie kann man in so einem wirtschaftsstarken Raum wie in München auch mit der Steuerverwaltung nachziehen? Wir sind auf einem guten Wege. Ob wir in allen Bereichen sofort schlagkräftig sind, wird die Zukunft zeigen."

Die Zukunft also. Der Minister legt noch Wert auf die Feststellung, dass Bayern zurzeit zusätzliches Steuerpersonal ausbilde. Erst auf Nachfrage erfahren wir allerdings, zusätzliche Planstellen wird es nicht geben. Dabei rechnet sich der Einsatz von Steuerfahndern und Betriebsprüfern. Ein bis eineinhalb Millionen Euro zusätzliche Steuereinnahmen bringt jeder Prüfer jährlich dem Staat. So die allgemeine Faustformel.

Doch warum dann der Personalabbau in vielen Ländern? Steuervollzug ist Ländersache. Aber von einer Million Euro, die ein Steuerfahnder eintreibt, muss sein Bundesland etwa die Hälfte direkt an den Bund abgeben.

Und die reichen Länder werden nochmals zur Kasse gebeten. Rund 400.000 Euro wandern in den Länderfinanzausgleich. Das heißt, dem Land selbst bleibt nicht viel vom zusätzlichen Steuergeld. Schließlich muss der Fahnder ja auch noch bezahlt werden.

Gerhard Schick, Bundestagsabgeordneter Bündnis 90 / Die Grünen: "Deswegen muss man diese Logik durchbrechen mit einer Bundessteuerverwaltung, damit eben gleiche Standards in allen Bundesländern gelten, und dann auch der Bund, wenn er Personal einstellt, das danach ausrichten kann, ob es nötig ist, für die Durchsetzung des Steuerrechtes zu sorgen."

Doch da spielen die Länder nicht mit. Und so bleibt es wohl dabei. Weil dem Staat Steuerbeamte fehlen, kann er ausgerechnet bei den Reichen und bei den Unternehmen nicht immer so ganz genau hinsehen. Die sind natürlich nicht alle notorische Steuer-Betrüger. Doch der Ärger über diese Praxis ist in ihren Kreisen eher die Ausnahme.

Mehr zum Thema

  • Video: MONITOR-InterviewMartin Winter, Pressesprecher des Bundesrechnungshofs, zur Kritik des Bundesrechnungshofs am Steuervollzug der Länder.

Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen