Dienstag, 5. Oktober 2010

Beschlüsse des Deutschen Juristentags zur Leiharbeit und zum Mindestlohn [Nachdenkseiten]


Beschlüsse des Deutschen Juristentags zur Leiharbeit und zum Mindestlohn

(Nachdenkseiten)

http://www.nachdenkseiten.de/?p=6942#h07

Eine Auswertung unseres Lesers A.G.:

Bei der Leiharbeit sprach sich eine Mehrheit dafür aus, die Ausnahmeregelung des § 9 Nr. 2 AÜG (Absenkung des Eingangsentgelts) aufzuheben (angenommen 178:112:2).

Besonders wichtig: Die Möglichkeit, durch Tarifverträge mit ungünstigeren Arbeitsbedingungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz abzuweichen, ist nach den Beschlüssen aufzuheben (angenommen 177:119:4). Hier liegt ja bekanntlich der Kern der derzeitigen Ungleichbehandlung von Leiharbeitnehmern.

 

Ein nicht unwichtiges Detail: Die Vorgaben des Equal pay sollen auch für die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung umgesezt werden (angenommen 184:106:5). Auch die betriebsverfassungsrechtliche Seite der Leiharbeit wurde berücksichtigt; allerdings ist der DJT an dieser Stelle über den Allgemeinplatz nicht hinausgekommen, die Rechte der Betriebsräte im Entleihbetrieb für Maßnahmen zugunsten von Leiharbeitnehmern und Stammbeschäftigten in Bezug auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern seien "zu verbessern" (angenommen 177:110:10).

Insgesamt sind diese Vorschläge als sehr positiv zu bewerten und zeigen, dass die Juristen mehrheitlich den "Abschied vom Normalarbeitsverhältnis" nicht für zukunftsträchtig halten.

 

Die dringend gebotene Umsetzung dieser Vorschläge zur Leiharbeit bedeutete einen wesentlichen Schritt nicht nur dahin, den Equal-pay-Grundsatz zu realisieren, sondern auch, die Leiharbeit weniger attraktiv zu machen. Dies dürfte auch die Intention der Abstimmenden des DJT gewesen sein, wurde doch als "Grundlinie" beschlossen: "Das unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnis bildet das Rückgrat der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

 

Es birgt eine hohe Ertragskraft und bietet eine hohe Gewähr der Einhaltung von Schutzstandards. Aus- und Fortbildung sind hier stark ausgeprägt, die Identifikation mit den Zielen des Unternehmens ist groß. Der Gesetzgeber sollte durch intelligente Lösungen diese Form der Rechtsbeziehungen stützen" (angenommen 305:0:1). Sowie: "Zu diesem zu stützenden Leitbild gehört auch die Beschäftigung beim eigenen Arbeitgeber (Vertragsarbeitgeber)." (angenommen 203:103:10)

 Zunächst war Ausgangspunkt der Beschlüsse die Ablehnung des von zahlreichen Wirtschaftswissenschaftlern als positiv bewerteten Kombilohnmodells (Geringverdienst, durch Sozialtransfers ausgestockt). Bei der Frage, ob nicht ein flächendeckender allgemeiner Mindestlohn eingeführt werden sollte, sei der Zusammenhang zwischen sozialrechtlichen Transferleistungen und dem privatautonom vereinbarten Arbeitsentgelt in den Blick zu nehmen.

 

Dieser Zusammenhang von Sozialrecht und Privatrecht, der die Grundsicherung und andere Transferleistungen zu einem Kombilohnmodell mache, beeinflusse die Marktsituation am Arbeitsmarkt im Niedriglohnbereich. (angenommen 191:100:8) Diesem Befund könne durch einen einheitlichen allgemeinen Mindestlohn als fixierter Untergrenze entgegengewirkt werden. (angenommen 185:104:8) Besonders wichtig ist die Beschlusslage zur Bemessung des Mindestlohns.

 

Hier musste zunächst bestimmt werden, welchem Zweck ein Mindestlohn dient. Zutreffend kam die Mehrheit zu folgender Zweckbestimmung: "Der Mindestlohn sollte als Mindestanforderung ein angemessenes Entgelt für Vollzeitarbeit und Ernährung der Familie gewährleisten und eine Höhe haben, die die Inanspruchnahme von sozialrechtlichen Transferleistungen auch im Alter entbehrlich macht." (164:96:7) Zweck ist also nicht nur eine Sicherung des Existenzminimums, sondern auch der Schutz vor Altersarmut! Dieser Bezug auf die Situation im Alter ist gerade für die jüngeren Generationen wichtig. 

 

Ernst genommen, muss dieser (richtige) Ansatz auf lange Sicht zu Mindestlöhnen weit über den oft genannten 7,50 EURO führen. Als vorbildliches Verfahren der Festlegung wurde auf das britische Kommissionsmodell verwiesen, das mit einer intensiven Beteiligung der Tarifvertragsparteien und mit einer sorgfältigen zeitnahen Untersuchung des Arbeitsmarkts verbunden sei. (angenommen 173:90:15) Auch dieser Punkt birgt eine Überzeugungskraft, wobei der Teufel natürlich im Detail steckt (Beispiele: Wie genau sind die Beteiligungsrechte der Tarifvertragsparteien auszugestalten?

 

Gibt es nur Anhörungsrechte, oder bekommen die Tarifvertragsparteien ein Vetorecht? Wird nur ein einziger flächendeckender Mindestlohn festgesetzt, oder kann auf branchenspezifische Besonderheiten eingegangen werden?).

Insgesamt weist die Beschlusslage in die richtige Richtung.

Quelle: Deutscher Juristentag. Die Beschlüsse im Wortlaut [PDF - 262KB]

 

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